Die freie, wilde Natürlichkeit mit ihren vielfältigen Arten paßt irgendwie ganz und gar nicht zur heutigen – und längst davon total isolierten – industriellen Denkweise mit ihren normgerechten Supermarktprodukten. Einen großen Anteil daran haben auch wir Konsumenten, wenn wir unbedingt „makelloses Designergemüse“ – statt biologisch gesunder Kost – haben wollen. Wer kauft schon krumm gewachsene Möhren oder Äpfel mit Narben, die von der erfolgreichen Verteidung gegen Schädlinge zeugen und so gesehen ein Qualitätsmerkmal sind.
Artenvielfalt oder gesetzlich verordnete Armut
Dazu kommen noch die ausgelaugten, überdüngten und güllegeschwängerten Äcker, wodurch hierzulande mehr und mehr auch das Grundwasser in Mitleidenschaft (hohe Nitratbelastung) gezogen wird. Letztlich macht uns alle diese „industrielle Denkweise“ krank.
NDR-Reportage „Verbotenes Gemüse“ (Mai 2016)
Ein Gesetz wie das sogenannte „Saatgutverkehrsgesetz“ sollte einzig im Sinn haben, die Verbraucher zu schützen, damit diese nicht durch Pflanzen bzw. giftige Substanzen geschädigt werden und zuverlässige Qualität bekommen. Es sollte aber nicht funktionierende Traditionen verhindern und daher ist ein Verbot des Handels mit Saatgut, welches sich bewährt hat und bereits „seit Generationen an Nachbarn, Freunde und Familie weitergegeben wird“ eine ziemlich absurde Angelegenheit.
Umso absurder, wenn man sich vergegenwärtigt, dass genveränderte Pflanzen testweise einfach so irgendwo draußen gepflanzt werden und das Umfeld infizieren, obwohl niemand wirklich weiß und beweisen kann, dass diese tatsächlich keinen dauerhaften Schaden anrichten.
Wenn ein Gesetz zum Thema Saatgut kein Verbraucherschutzgesetz ist, sondern nur dazu dient, das Geschäft von Saatgutherstellern und „genveränderten Hybridsorten“ irgendwelcher Konzerne zu schützen, die ja bekanntermaßen Patente auf von ihnen veränderte Pflanzen und sogar auf Tierarten anmelden, ist das weit mehr als fragwürdig. Wenn die Natur auch wegen solcher Patente von profitorientierten Konzernen vereinnahmt wird, sollten bei uns Verbrauchern die Alarmglocken läuten und wir müssen dieser verrückt-abgehobenen, unnatürlichen und auf technischen Normen basierten Industriewelt dringend Einhalt gebieten.
Pansy Ap, Großherzogin Toskana oder Old German heißen nur drei von weltweit 15.000 Tomatensorten. Im Supermarkt suchen Kunden sie jedoch vergebens. Wer an der Vielfalt alter Obst- und Gemüsearten interessiert ist, könnte sie selbst anbauen.
Doch hier wird es heikel: Mit dem Saatgut nicht amtlich zugelassener Pflanzensorten Handel zu treiben, ist gesetzlich verboten. So sieht es das Saatgutverkehrsgesetz vor. Das gilt auch für Gemüsesorten, deren Saatgut schon seit Generationen an Nachbarn, Freunde und Familie weitergegeben wird: Mit den Samen darf nicht gehandelt werden.
NDR-Reportage „Verbotenes Gemüse“ (Mai 2016)
Selber anbauen kann man alles Mögliche. Nur der Handel mit dem Saatgut dieser vielen „amtlich nicht zugelassenen Pflanzen“ ist nicht erlaubt. Gab’s nicht schon mal ein Gesetz, in welchem „die Krümmung von Gurken“ (die Gurkenverordnung) von Amts wegen definiert wurde.
Wann ist ein Gesetz sinnvoll? Hierbei jedenfalls nicht und irgendwann wird auch dem letzten Geschmacksgenervten auffallen, dass genormtes Industriegemüse (auf ausgelaugten Äckern gewachsen) nach nichts mehr schmeckt, weshalb das Interesse für alte – in einem natürlichem Umfeld gezogene – Sorten wieder zunimmt und es glücklicherweise etliche Menschen gibt, die sich intensiv mit dem Erhalt und der Vielfalt dieser alten Sorten befassen.
Das nenne ich eine „konservative Einstellung“ im bestmöglichen Sinn.
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